Donnerstag, 13. Januar 2011

Otto Toeplitz (1881-1940)

Biographie.Otto Toeplitz wurde am 1. 8. 1881 in Breslau geboren und verstarb am 11. 10. 1940 in Jerusalem. Er war ein deutsch-jüdischer Mathematiker, der auf dem Gebiet der linearen Algebra und der Funktionalanalysis arbeitete. Er war Professor in Bonn, musste aber nach der Machtergreifung der Nazis seine Position aufgeben und emigrierte 1939 nach Palästina.

Otto Toeplitz kam aus einer jüdischen Familie, die mehrere Mathematiklehrer hervorgebracht hatte. Otto wuchs in Breslau auf und besuchte dort ein Gymnasium. Natürlich studierte er danach Mathematik, in Breslau. Nach dem Examen setzte er seine Studien der algebraischen Geometrie an der Leopoldina Breslau fort und legte 1905 sein Doktorexamen ab. Schon im Studium hatte er R. Courant, E. Hellinger und Max Born kennen gelernt, 1906 ging er für sieben Jahre nach Göttingen. Bei seiner Ankunft vervollständigte HILBERT  gerade seine Theorie der Integralgleichungen. Unter diesem Einfluss begann Toeplitz die klassischen Theorien der Prozesse in n-dimensionen Räumen (Toeplitz-Matrix ) zu überarbeiten und entdeckte die grundlegenden Ideen dessen, was heute Toeplitz-Operatoren genannt wird. Als er in Göttingen ankam, war Hellinger dort Doktorand. Beide wurden schnell Freunde und arbeiteten viele Jahre eng zusammen ( Hellinger-Toeplitz-Theorem). Hellinger verließ Göttingen 1909. Vier Jahre später nahm Toeplitz das Angebot einer Lehrtätigkeit als ao. Professor in Kiel an und 1920 wurde er dort zum ordentlichen Professor befördert. Viele Jahre lang arbeitete er mit Hellinger zusammen an einem größeren Enzyklopädie-Artikel über Integralgleichungen, der 1927 gedruckt erschien. 1928 nahm Toeplitz das Angebot eines Lehrstuhls an der Universität Bonn an.

Als am 4. April 1933 das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums in Kraft trat, nach dem er seine Stellung verloren hätte, behielt Toeplitz zunächst seinen Posten, weil er schon vor 1914 Beamter gewesen war und damit den Ausnahmeparagraphen 3 erfüllte. Nach dem Parteitag in Nürnberg wurde er jedoch im Herbst 1935 emeritiert. Toeplitz hätte besser schon 1933 Deutschland verlassen sollen. Stattdessen hatte er als stolzer Jude mit Hilfstätigkeiten für die jüdische Gemeinschaft (vgl. H. Hopf und H. Weyl) begonnen und blieb noch bis 1938 in Deutschland. Dazu schrieb er 1935 an COURANT:


"Denn dies ist meine Auffassung: wir müssen die Stellen, auf denen man uns lässt, bis zum letzten Augenblick halten, nicht als ob eine Besserung in Sicht wäre - ausgeschlossen - sondern weil wir sonst in irgend einer Form der allgemeinen Judenheit zur Last fallen, mindestens einem anderen die Stellen wegnehmen. Ich betrachte es als ein Opfer, das ich der Judenheit bringe, auf diesem Posten auszuhalten."
Z.B. brachte er jüdische Schulkinder in Bonn in eine jüdische Schule, die er gegründet hatte, und verhalf jüdischen bzw. regimekritischen Studenten zur schnelleren Promotion, so z.B. Hans SCHWERDTFEGER (später Privatassistent für Mathematik bei Gustav HERGLOTZ . Anderen versuchte er bei der Stellensuche und Emigration beizustehen. Seine Tochter Eva Wohl schreibt:
"Of course it was very painful for him to realize that some of his colleagues at the university had fallen into the Nazis trap; still there remained a handful of very faithful friends with whom he worked till the day of his emigration. My father was very happy to have the opportunity to emigrate to Palestine (as it then was) in 1939 and to be able to help in the building up of Jerusalem University. He had great plans for modernizing the university but unfortunately he became very ill and died a year after his arrival."
Einer seiner Söhne, Uri (Erich) Toeplitz, ist Flötist und Mitbegründer des Israel Philharmonic Orchestra.

Leistungen

Toeplitz arbeitete an unendlichen linearen und quadratischen Formen. In den 1930er Jahren entwickelte er eine allgemeine Theorie für unendlich-dimensionale Räume und kritisierte Banachs Arbeit als zu abstrakt (Toeplitz-Operator). 1934 schrieb er in Zusammenarbeit mit Gottfried KÖTHE  für eine Einführung in den Zusammenhang linearer Folgenräume einige wichtige neue Konzepte und Theoreme.

Toeplitz war auch an der Geschichte und Entwicklung der Mathematik sehr interessiert. Er begann ein Buch über die Geschichte des Rechnens "The Calculus: A Genetic Approach"(1936) zu schreiben. Darin wollte er mit einer neuen Methode die bekannten Schwierigkeiten der Vorlesung über Infinitesimalrechnung meistern. G. KÖTHE schreibt dazu:
Er will dem jungen Studenten, der wissen möchte, inwiefern die Mathematik spannend, inwiefern sie schön ist, die Entdeckungen in ihrer ganzen Dramatik vorführen und so die Fragestellungen, Begriffe und Tatsachen vor ihm entstehen lassen. Über seine Ideen, an die Wurzeln der Begriffe zurückzugehen, sagte er in einem Vortrag vor dem Mathematischen Reichsverband in Düsseldorf 1928: "Der Historiker, auch der der Mathematik, hat die Aufgabe, alles Gewesene zu registrieren, ob es gut war oder schlecht. Ich will aus der Historie nur die Motive für die Dinge, die sich hernach bewährt haben, herausgreifen und will sie direkt oder indirekt verwerten. Nichts liegt mir ferner, als eine Geschichte der infinitesimalrechnung zu lesen; ich selbst bin als Student aus einer ähnlichen Vorlesung weggelaufen. Nicht um die Geschichte handelt es sich, sondern um die Genesis der Probleme, der Tatsachen und Beweise, um die entscheidenden Wendepunkte dieser Genesis."
Er hat viele Jahre daran gearbeitet, eingehende historische Studien über die Entwicklung der Infinitesimalrechnung getrieben und in seinen Vorlesungen immer wieder andere Darstellungen mit seinen Studenten erprobt und neue Formulierungen gesucht. Leider konnte er das Buch nicht vollenden, in den letzten Jahren schwerster seelischer Bedrückung fand er nur selten die Kraft zu intensiver wissenschaftlicher Arbeit. Das Original wurde posthum auf Deutsch von G. KÖTHE unter dem Titel "Die Entwicklung der Infinitesimalrechnung, eine Einführung in die Infinitesimalrechnung nach der genetischen Methode" im Jahr 1949 herausgegeben.

Ein historischer Gegenstand, der ihn sehr interessierte, war die Beziehung zwischen griechischer Mathematik und griechischer Philosophie. In den 20er und 30er Jahren besuchte er häufig das Frankfurter Mathematische Seminar, wo sein Freund E. Hellinger seit 1914 arbeitete und wo die Geschichte der Mathematik eine große Rolle spielte. Toeplitz glaubte:

"... that only a mathematician of stature is qualified to be a historian of mathematics."
Toeplitz schrieb zusammen mit H. Rademacher ein populärwissenschaftliches Buch über Mathematik. Dieses Werk, "The Enjoyment of Mathematics" wurde über die Jahre vielmals wieder aufgelegt. Auch der Schulmathematik widmete er sich mit großem Interesse und viel Zeit. Er war an der Denkschrift zum 60. Geburtstag von David Hilbert beteiligt (außerdem: O. Blumenthal, M. Dehn, R. COURANT, M. Born, P. BERNAYS, K. SIEGEL; Quelle: Literaturverzeichnis zu D. Hilbert S. 503 in "Hans Wußing, Wolfgang Arnold, Biographien bedeutender Mathematiker, Volk und Wissen Verlag Berlin 1978" ).

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