David Hilbert
Am 8. September 1930 in Königsberg, auf dem Kongress des Verbandes Deutscher Naturforscher und Ärzte, David Hilbert hielt eine Rede berechtigt Naturerkennen und Logik. Ein Auszug vier Minuten war Sendung von Radio, und wurde Konserven.
Das Instrument, welches die Vermittlung bewirkt zwischen Theorie und Praxis,
zwischen Denken und Beobachten, ist die Mathematik; sie baut die verbindende Brücke
und gestaltet sie immer tragfähiger. Daher kommt es, daß unsere ganze gegenwärtige
Kultur, soweit sie auf der geistigen Durchdringung und Dienstbarmachung der Natur
beruht, ihre Grundlage in der Mathematik findet. Schon GALILEI sagt: Die Natur kann
nur der verstehen der ihre Sprache und die Zeichen kennengelernt hat, in der sie zu uns
redet; diese Sprache aber ist die Mathematik, und ihre Zeichen sind die mathematischen
Figuren. KANT tat den Ausspruch: „Ich behaupte, daß in jeder besonderen Naturwissenschaft nur so viel eigentliche Wissenschaft angetroffen werden kann, als darin Mathematik enthalten ist.? In der Tat: Wir beherrschen nicht eher eine naturwissenschaftliche Theorie, als bis wir ihren mathematischen Kern herausgeschält und völlig enthüllt haben.
Ohne Mathematik ist die heutige Astronomie und Physik unmöglich; diese Wissenschaften
lösen sich in ihren theoretischen Teilen geradezu in Mathematik auf. Diese wie die
zahlreichen weiteren Anwendungen sind es, den die Mathematik ihr Ansehen verdankt,
soweit sie solches im weiteren Publikum genießt.
Trotzdem haben es alle Mathematiker abgelehnt, die Anwendungen als Wertmesser
für die Mathematik gelten zu lassen. GAUSS spricht von dem zauberischen Reiz,
den die Zahlentheorie zur Lieblingswissenschaft der ersten Mathematiker gemacht habe,
ihres unerschöpflichen Reichtums nicht zu gedenken, woran sie alle anderen Teile der
Mathematik so weit übertrifft. KRONECKER vergleicht die Zahlentheoretiker mit den
Lotophagen, die, wenn sie einmal von dieser Kost etwas zu sich genommen haben, nie mehr
davon lassen können. Der grosse Mathematiker POINCARÉ wendet sich einmal in auffallender
Schärfe gegen TOLSTOI, der erklärt hatte, daß die Forderung „die Wissenschaft der
Wissenschaft wegen? töricht sei. Die Errungenschaften der Industrie, zum Beispiel, hätten
nie das Licht der Welt erblickt, wenn die Praktiker allein existiert hätten und wenn diese
Errungenschaften nicht von uninteressierten Toren gefördert worden wären. Die Ehre
des menschlichen Geistes, so sagte der berühmte Königsberger Mathematiker JACOBI, ist
der einzige Zweck aller Wissenschaft.
Wir dürfen nicht denen glauben, die heute mit philosophischer Miene und überlegenem
Tone den Kulturuntergang prophezeien und sich in dem Ignorabimus gefallen.
Für uns gibt es kein Ignorabimus, und meiner Meinung nach auch für die Naturwissenschaft
überhaupt nicht. Statt des törichten Ignorabimus heiße im Gegenteil unsere
Losung:
Wir müssen wissen,
Wir werden wissen.
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